Optisch berührungsloses Messen von Weg und Geschwindigkeit

Quo vadis, S21? Teil 2

Dr. Burghard Korneffel

Quo vadis, S21? Teil 2

Die tiefen Gräben in Stuttgart lassen sich nur zuschütten, wenn man die übergroße Mehrheit der Bürger vom Projekt überzeugt. Mehr noch, wenn man sie regelrecht für das neu zu Schaffende begeistert! Mit S21 gelingt das nicht. Das Projekt aus dem Jahr 1995 ist heute technisch überholt. Es sieht lediglich Verbesserungen für den Fernverkehr vor, beim Nahverkehr bleibt alles beim alten.

Die Region Stuttgart braucht dringend zusätzlichen Nahverkehr auf der Schiene

Das Ziel muss sein, in der Region Stuttgart einen großen Teil des Pendlerverkehrs, der heute mit dem PKW erfolgt, auf die Schiene zu bringen. Keiner will das Automobil abschaffen. Ich persönlich würde meines mit Klauen und Zähnen verteidigen. Das Automobil erlaubt uns eine Mobilität, von der frühere Generationen geträumt haben. Aber deshalb muss man nicht jeden Tag die gleiche Strecke zur Arbeitsstelle hin und zurück fahren und jeden Tag im gleichen Stau stecken. Gibt es dazu eine attraktive Alternative auf der Schiene, so wird man diese nutzen. Für einen Umstieg auf etwas besseres bedarf es keiner behördlicher Verordnung, keiner Zwangsgebühren, keiner willkürlichen Geschwindigkeitsbeschränkungen für den PKW, keiner vorsätzlichen Verknappung von Parkraum und schon gar keiner City Maut.

Man kann Schienen nicht in jede Siedlung legen. Es wird immer Menschen geben, die nur mit PKW (oder Bus) ihr Fahrtziel erreichen. Wenn man es schafft, einen großen Teil des heutigen Verkehrs auf die Schiene zu verlagern, fließt der restliche Verkehr flüssig und ohne Stau.

Forderungen an den schienengebundenen Nahverkehr

  1. Die Fahrzeit auf der Schiene von Wohnstätte zu Arbeitsstätte sollte kürzer sein als die optimal auf der Straße mögliche (optimal = Fahrt ohne Stau bei Einhaltung der StVO).
  2. Intelligente Linienführung, um die Fahrgäste auf möglichst direktem Weg zu ihrem Ziel zu bringen.
  3. Das Schienenfahrzeug muss im dichten Zeittakt verkehren.
  4. Der Transport auf der Schiene muss weniger kosten als mit dem PKW (echte Streckenkosten und nicht künstlich über Zwangsgebühren verteuerte).
  5. Der Transport auf der Schiene muss einen gewissen Komfort beinhalten.

Zu 1:

  1. Verkehrsträger: Als Rückgrat des Schienennahverkehrs braucht man einen schnellen Verkehrsträger. Dafür bietet sich eine moderne S-Bahn an (vmax = 160 km/h, kräftige Beschleunigung, mehrere breite Einstiege für schnellen Fahrgastwechsel. Für die Verteilung in der Fläche um den S-Bahnhof herum sind U-Bahn oder Bus geeignet. Oder P+R Anlagen: Bereits mit einem Einzugsbereich von 5 km im Radius erschlössen sie eine große besiedelte Fläche.
  2. Moderne S-Bahnen werden in der Zukunft voraussichtlich Linien bis etwa 100 km Länge bedienen. Damit übernähmen sie einen großen Teil des Regionalverkehrs.
  3. Abstand zwischen den Haltestellen (Bild 1): Für die Durchschnittsgeschwindigkeit einer Linie ist die Anzahl der Segmente entscheidend und nicht deren einzelne Länge, solange diese größer als Smin ist. Ein Segment ist die Distanz zwischen zwei Haltestellen. Smin ist die Summe aus Beschleunigungs- und Bremsstrecke. Alle Segmente zusammen addiert ergeben die Länge der gesamten Strecke (in Bild 1 sind das 50 km).
  4. Auf einer Strecke von 50 km mit 20 Haltestellen erreicht die S-Bahn (vmax = 120 km/h) eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 65,1 km/h (Fahrzeit gesamte Strecke: 46 min 7 sec).
  5. Auf einer Strecke von 50 km mit 10 Haltestellen erreicht die S-Bahn (vmax = 120 km/h) eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 84,4 km/h (Fahrzeit gesamte Strecke: 35 min 33 sec).
  6. Auf einer Strecke von 50 km mit 5 Haltestellen erreicht die S-Bahn (vmax = 120 km/h) eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 99,1 km/h (Fahrzeit gesamte Strecke: 30 min 17 sec).
  7. Der Ansatz, mit einer S-Bahnlinie möglichst viele Siedlungen, auch wenn sie klein sind, anzufahren, ist kontraproduktiv. Denn das führt zu Zuckelbahnen. Solche benutzt man nur wider willig. Die Linie von Vaihingen zum Flughafen ist ein solches Beispiel. Die S-Bahn zuckelt auf diesem Abschnitt und verdirbt damit eine schnelle Verbindung vom Zentrum zum Flughafen. Für die Verteilung in der Fläche ist dieser Streckenabschnitt geeignet, aber als Basis für die Erschließung des Fildernraumes nicht. Darum sieht der Kompromissvorschlag KoS21 eine Neubautrasse zwischen Abzweig Rohr und Flughafen vor.

Abstand_120kmh_schmal_2

Bild 1. Durchschittsgeschwindigkeit als Funktion der Anzahl von Segmenten einer 50 km langen Strecke bei einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h (Smin= 1,111 km; weitere technische Details in „Fahrzeiten 2“ des Beitrags „Schienennetz”)

Zu 2: Man muss weg von der sternförmigen Linienführung zu einer sich intelligent verästelten oder verzweigenden Linienführung. Viele Umsteigepunkte ermöglichen eine individuelle Route.

Heute ist in Stuttgart der Hauptbahnhof der zentrale Umsteigepunkt für sämtliche S-Bahnen. Das führt zur Überlastung dieses S-Bahnknoten. Doch die meisten Fahrgäste wollen gar nicht zum Hbf. Für viele ist das ein Umweg.

Zu 3: Um den Bürger zu motivieren, vom Auto in das Nahverkehrsfahrzeug umzusteigen, muss dieses im dichten Takt fahren. 10-Minuten-Takt ist das Minimum. Es genügt nicht, alle 20 min einen Zug fahren zu lassen. Dann könnte folgendes passieren: Der Arbeitnehmer gibt sich einen Ruck. Bereit, etwas gutes für die Umwelt zu tun, geht er zum Bahnhof. Er verpasst die S-Bahn und muss 20 min warten. Das war's, fortan lässt er sich wieder in sein Auto fallen.

Zu 4:

  1. Personalkosten: Für einen dichten Takt benötigt man nicht nur eine Menge Fahrzeuge, sondern auch viele Fahrer. Doch woher diese nehmen und bezahlen? Die Lösung ist der fahrerlose Betrieb. In der Zukunft wird er sich beim schienengebundenen Nahverkehr durchsetzen. Science fiction? Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte die Vorstellung, der Fahrstuhl könnte alleine, ohne Führer, zwischen den Stockwerken hinauf und hinab gleiten, ins Reich der Phantasie.
  2. Kosten für rollendes Material: Dichter Takt erfordert viele Züge, damit steigen die Stückzahlen für Fahrzeuge, was eine Reduzierung ihres Preises nach sich ziehen sollte.
  3. Kosten durch Verschleiß des rollenden Materials: In verkehrsschwachen Zeiten muss der Akzeptanz wegen ein dichter Takt aufrecht erhalten bleiben. Daher muss die Zuglänge rasch und unkompliziert geändert werden können. Nachts reicht vielleicht ein Triebfahrzeug aus. Die technische Lösung lautet automatische Kupplung, vom rechentechnisch vernetzten Steuersystem (Grundbaustein von KoS21) veranlasst und überwacht. Eine Version für die Zukunft könnte die virtuelle Kupplung sei. Dabei wird der Zug aus selbstgetriebenen Fahrzeugen zusammengestellt. Diese sind nicht mehr mechanisch miteinander verbunden, sondern halten untereinander einen festgelegten Abstand mit einer Toleranz von wenigen Zentimetern ein. Die Sensorik dazu wäre bereits heute vorhanden. Das zu lösende technische Problem in der Regelschleife ist die Reaktionszeit des Antriebs über Elektromotoren. Da werden sich die Techniker noch etwas einfallen lassen. Das Antriebssystem des Transrapid hält ohne äußeres Zutun den Abstand zwischen einzelnen Triebfahrzeugen konstant.
  4. Energiekosten: Eine moderne S-Bahn nutzt das Stromnetz als Lastwiderstand. So wird der Energieverbrauch verringert. Die Bahn muss auch nachts (keine Sonne) wie auch bei fehlen dem Wind fahren. Als Bahnstromwerk bietet sich ein modernes Kernkraftwerk an. Es liefert zuverlässig rund um die Uhr die kWh für 3 Cent.
  5. Dieser Vorschlag ist ein Verstoß gegen die EC (Ecological Correctness). Einmal gesündigt lege ich noch eins drauf: In Frankreich heizen Wohnungsbesitzer zunehmend mit Strom. Es kostet weniger als mit Öl oder Gas, da der Strom aus Kernkraftwerken stammt. Für den Verbraucher ist die Effizienz perfekt: 1 kWh elektrische Energie ergibt 1 kWh Wärmeenergie. Bei Öl- oder Gas entflieht ein Teil der Wärme über den Kamin ins Freie. Kernkraft emittiert kein CO2 und verbraucht keine fossilen Ressourcen. Franzosen halten Ideologie aus der Entwicklung von Wissenschaft und Technik strikt heraus. Außerdem haben sie ein Fable für High Tech. Deutsche Ideologie will die ganze Welt retten und nimmt als Kollateralschaden in Kauf, das eigene Land gegen die Wand zu fahren.

Zu 5: Wer sitzen möchte, muss auch einen Sitzplatz finden. Mit den Maßnahmen aus Pkt. 3 sollte das gelingen. Überfüllte Züge mit der Packungsdichte einer Fischkonserve machen alle Bemühungen zunichte, den Autofahrer zum Umsteigen auf die Schiene zu bewegen.

    Beschleunigung oder Entschleunigung?

Die tägliche Fahrt zum Arbeitsplatz ist nutzlos verbrachte Lebenszeit. Je kürzer die Fahrzeit, um so besser. Wenn der Schienenverkehr schneller als der PKW befördert, hat er ein starkes Argument zu seinen Gunsten. Auch für den Autonarr zählt letztlich die Fahrzeit. Solange der PKW schneller ist, bekommt man ihn aus diesem nicht heraus.

Ich höre schon den Protest: „Wozu Tempo, was bringen Minuten, Entschleunigung ist angesagt!“. Falsch! Die Wirklichkeit erhöht täglich das Tempo. Ein Ingenieur entwirft heute das neue Bauteil am Computer. Dieser rechnet in Sekunden die neue Konstruktion durch. Vor 30 Jahren hat das noch Wochen gedauert. Morgen entwirft der Computer, mit dem gespeicherten Wissen einer ganzen Epoche, unter der fachlichen Führung des Ingenieurs. Wer dieses Tempo ablehnt, wird beiseite geschoben. Weg vom Markt heißt weg vom Wohlstand. Doch den brauchen wir. Nicht nur für unser Leben, sondern vor allem für gute Schulen, für exzellente Gesundheitsfürsorge und für die Erhaltung der Umwelt.

Wer sich der Beschleunigung verschließt und Entschleunigung propagiert, klinkt sich aus und versinkt in der Bedeutungslosigkeit. Es gab schon immer Einsiedler, die ein karges entschleunigtes Leben in der Natur der betriebsamen Hektik im Zentrum der Gesellschaft vorzogen. Man muss ihre Entscheidung respektieren. Aber es wird bedenklich, wenn die Jünger der neuen Heilslehre versuchen, diese politisch durchzusetzen.

Die Adern einer lebendigen Volkswirtschaft sind ihr Schienen-, Straßen- und Datennetz. Schnelligkeit und Präzision in diesen Netzen bestimmen maßgeblich die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft. Und in dieser und nirgendwo anders wird der materielle Wohlstand geschaffen.

S21 ist entscheidend zu verbessern

Bei S21 handelt es sich nicht um ein Einkaufszentrum oder ein Wellness Bad. Da könnte man darüber grummeln, dass irgendwas gebaut wurde, was uns nicht gefällt. S21 ist unser aller Projekt und soll die urbane Lebensqualität deutlich verbessern! Mobilität ist in heutiger Zeit ein wichtiges Gut.

Wir, die Bürger, bezahlen mit unserem Geld das gesamte Projekt. Damit haben wir, die Bürger, das Recht und die Pflicht, mit zu entscheiden, was im Rahmen dieses Projekts erstellt wird. Wir, die Bürger, möchten einen Gegenwert erhalten.

Realisieren der Altversion von S21 wäre unverantwortlich

Es gibt Politiker, die versuchen, sich mit folgenden Argumenten aus der Verantwortung zu ziehen: „S21 entspricht vielleicht nicht mehr dem heutigen Stand der Technik. Eventuell ein mit Fehlern behaftetes Projekt. Aber es wurde beschlossen. Möglicherweise war das falsch. Aber jetzt ist das Projekt zu realisieren, für Änderungen ist es zu spät. Da müssen wir durch.“ Rhetorisch klingt das gut. Der Politiker zeigt Einsicht, aber beugt sich dem höheren Prinzip. Er kann so argumentieren, denn er haftet weder für Schäden, welche das mangelhafte Projekt anrichtet, noch für nicht realisierte Funktionen, die versprochen wurden. Die arbeitenden Menschen zahlen, und wenn das Geld nicht reicht, werden die Steuern erhöht.

So geht es nicht! Ein unzureichendes Projekt durchziehen, nur weil man sich scheut, die Mühen zur Behebung der Mängel auf sich zu nehmen? Das ist Vergeudung von Steuergeldern! Wenn wir das zulassen, zerstören wir den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Es gilt die Maxime: Bei einem Milliardenprojekt wie S21 sind Mängel sofort nach ihrem Erkennen zu beheben. Egal, in welchem Stadium des Projektes und egal, welchen Arbeitsaufwand das Beheben der Mängel erfordert!

Realisierung in zwei Etappen möglich

Was ist, wenn das Geld nicht reicht? Wenn es zu finanziellen Problemen kommt? Dann ließe sich das Projekt in zwei Etappen realisieren. KoS21basis wäre die erste Etappe. Nach ihrer Fertigstellung sind die in S21 enthaltenen guten Ideen verwirklicht und neue zusätzliche S-Bahnlinien realisiert. Der Fildernraum wäre endlich mit Schienennahverkehr erschlossen.

KoS21basis dürfte nur gut die Hälfte des gesamten Projekts S21 kosten. Fließen die Gelder wieder, lässt sich mit Etappe 2 das gesamte Projekt vollenden.

© Dr. Burghard Korneffel

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14. November 2012 (update 28.01.2014)

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